T 2052/14 Disclosure of relative dimensions in drawings
The Examining Division held that the subject matter of claim
1 was not new with respect to D1 (EP 1748243 A2). The division derived from the
figure a ratio of 0.9 and thus anticipating a claimed ratio from about 0.1 to
about 1.0. The Board disagrees. D1 does not indicate that the drawings are to
scale. Moreover, D1 is not related to the claimed aspect and there would thus
also not have been any reason for D1 to be to scale. This raises the issue whether the skilled person would derive the claimed ratio from a schematic drawing.
The Board thinks not.
The Examining Division also regarded to formulation from
about 0.1 to about 1.0 unclear (Art.84). The Board disagrees; this formulation
only allows a wider interpretation. The Board regards the wider range to be
new.
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Anmelderin richtet sich gegen die
Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr.
10 173 724.5 zurückgewiesen worden ist.
II. Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, dass der
Gegenstand des Anspruch 1 im Hinblick auf die Druckschrift D1 (EP 1 748 243
A2) nicht neu ist (Artikel 54 EPÜ 1973).
III. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der
angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Grundlage
der folgenden Ansprüche: Hauptantrag: ursprüngliche Ansprüche 1 bis 11,
eingereicht mit Schreiben vom 17. August 2012,
[…]
Die Beschwerdeführerin beantragt zusätzlich, die
Angelegenheit an die Prüfungsabteilung zurückverweisen, für den Fall dass die
Beschwerdekammer die Neuheit des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag bejahen sollte.
IV. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Verbundwellrohr (10), umfassend ein Innenrohr (12) und
ein mit diesem verbundenes gewelltes Außenrohr (14), wobei das Wellungsprofil
des Außenrohrs (14) umfasst:
einen äußeren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitt (16),
einen inneren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitt (18),
dessen mittlerer Durchmesser (du) kleiner ist als der mittlere Durchmesser (da)
des äußeren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitts (16),
zwischen dem äußeren, im Wesentlichen zylindrischen
Abschnitt (16) und zwei benachbarten inneren, im Wesentlichen zylindrischen
Abschnitten (18) angeordnete Flankenabschnitte (20),
gekrümmte äußere Übergangsabschnitte (22), welche den
äußeren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitt (16) mit den
Flankenabschnitten (20) verbinden, und
innere Ãœbergangsabschnitte (24), welche die
Flankenabschnitte (20) mit zwei benachbarten inneren, im Wesentlichen
zylindrischen Abschnitten (18) verbinden,
dadurch gekennzeichnet, dass der Wert des Verhältnisses
zwischen der Länge (l) des äußeren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitts
(16) und dem Krümmungsradius (ro) der äußeren Übergangsabschnitte (22) zwischen
etwa 0,1 und etwa 1,0 beträgt."
V. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren im
Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Abmessungen, die sich aus einer schematischen Zeichnung nur
durch nachmessen zu ergeben scheinen, gehören nicht zum Offenbarungsgehalt
einer Druckschrift. Das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1 (Hauptantrag)
sei daher nicht eindeutig und unmittelbar der Druckschrift D1 zu entnehmen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 (Hauptantrag) sei somit
gegenüber dem aus der Druckschrift D1 bekanntem Verbundwellrohr neu.
Entscheidungsgründe
1. Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 des Hauptantrags
in Bezug auf die Druckschrift D1
1.1 Die Druckschrift D1 offenbart ein Verbundwellrohr
(Figuren 2 und 3), umfassend ein Innenrohr und ein mit diesem verbundenes
gewelltes Außenrohr 11, wobei das Wellungsprofil des Außenrohrs 11 umfasst:
einen äußeren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitt 25
(Absatz [0024]: "plane segment 25"),
einen inneren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitt 15,
dessen mittlerer Durchmesser kleiner ist als der mittlere Durchmesser des
äußeren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitts 25,
zwischen dem äußeren, im Wesentlichen zylindrischen
Abschnitt 25 und zwei benachbarten inneren, im Wesentlichen zylindrischen
Abschnitten 15 angeordnete Flankenabschnitte 13,
gekrümmte äußere Übergangsabschnitte 20 (Absätze [0020] und
[0024]: "rounded edge"), welche den äußeren, im Wesentlichen
zylindrischen Abschnitt 25 mit den Flankenabschnitten 13 verbinden, und
innere Ãœbergangsabschnitte, welche die Flankenabschnitte
13 mit zwei benachbarten inneren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitten 15
verbinden.
Die Druckschrift D1 offenbart somit ein Wellrohr mit den
Merkmalen des Oberbegriffs, was auch von der Beschwerdeführerin nicht
bestritten wird (Beschwerdebegründung, Blatt 3, Abschnitt 1.1.2, erster
Absatz).
1.2 Der Text (Beschreibung und Ansprüche) der Druckschrift
D1 benennt weder die Länge der äußeren, im Wesentlichen zylindrischen
Abschnitte 25 noch den Krümmungsradius der äußeren Übergangsabschnitte 20. Der
Text der Druckschrift D1 enthält daher auch keine Aussagen zum Verhältnis
zwischen der Länge des äußeren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitts 25 zum
Krümmungsradius der äußeren Übergangsabschnitte 20.
1.3 Hinsichtlich der Offenbarung des im kennzeichnenden
Teils des Anspruchs 1 angegebenen Bereichs des
Längen/Krümmungsradius-Verhältnisses, hat die Prüfungsabteilung auf die
Figuren der Druckschrift D1 verwiesen, die ein Verhältnis von 0,9 zeigen.
Diese Feststellung hält jedoch einer Überprüfung durch die
Kammer nicht stand.
1.3.1 Bei der in der Druckschrift D1 offenbarten Erfindung
geht es um die Ausgestaltung einer Dichtung 10, die dazu dient, ein Wellrohr 11
gegenüber einem äußerem Rohr 12 abzudichten (Absatz [0001], Anspruch 1). Auf
die Ausgestaltung des abzudichtenden Wellrohrs wird daher in der Druckschrift
D1 nur insofern eingegangen, wie es für das Anliegen der Dichtung 10 an dem
Wellrohr notwendig ist (Absätze [0011], [0015], [0019], [0020] und [0024]). Der
Fachmann schließt daraus, dass die Zeichnungen der Druckschrift D1 primär auf
die Dichtung 10 und dem die Dichtung 10 aufnehmenden Teil des Wellrohrs 11, das
heißt, mit denjenigen Teilen des Wellungsprofils des Außenrohrs, die mit der
Dichtung 10 in Kontakt stehen, gerichtet sind. Eine maßstabsgetreue Darstellung
der Teile des Wellungsprofils des Außenrohrs, die nicht an der Dichtung 10
anliegen, war daher für die Offenbarung der den Erfindungsgegenstand bildenden
Dichtung nicht zwingend.
1.3.2 Da die Figuren der Druckschrift D1 nicht als
maßstabsgetreue Zeichnungen gekennzeichnet sind, stellen sie nur übliche
schematische Zeichnungen dar, die das, was in der betreffenden Druckschrift
wesentlich erscheint, angeben, aber in aller Regel nicht alle betreffenden
Teile maßstabsgetreu wiedergeben müssen. Somit stellt sich die Frage, ob der
zuständige Fachmann dem nur zeichnerisch dargestellten Merkmal unmittelbar und
eindeutig eine technische Lehre bezüglich des Wellungsprofils des Außenrohrs
vermittelt (T0204/83, AB 1985, 310, Punkt 4).
1.3.3 Da weder die Länge der äußeren, im Wesentlichen
zylindrischen Abschnitte 25 noch der Krümmungsradius der äußeren
Übergangsabschnitte eindeutig entnehmbar sind, lässt sich die Lage des
Ãœbergangs zwischen dem zylindrischen Abschnitt und den Ãœbergangsabschnitten
nicht eindeutig bestimmen. Dies steht einer direkten und unmittelbaren Entnahme
einer konkreten technischen Lehre entgegen.
1.3.4 Aber selbst wenn das der Fall wäre, enthält die
Druckschrift D1 keine Anhaltspunkte dafür, dass das Größenverhältnis zwischen
der Länge des äußeren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitts 25 und dem
Krümmungsradius der äußeren Übergangsabschnitte 20 in den Figuren maßstabsgetreu
wiedergegeben wäre (vergleiche T 0748/91, nicht veröffentlicht, Punkt 2.1.1).
1.3.5 Zusammenfassend: Auch wenn die Figuren der
Druckschrift D1 in der Prüfungsabteilung den Eindruck erweckt haben, dem
Merkmal des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 zu entsprechen, so stellt
dies in diesem Fall aus den oben benannten Gründen keine direkte und
unmittelbare Offenbarung für den Fachmann da, weil dieser weiß, dass es sich
bei den Figuren der Patentschrift D1 nur um schematische Darstellungen handelt,
aus denen er in diesem Fall ohne entsprechende Hinweise keine konkreten Größen
oder Größenverhältnisse bezüglich des Wellungsprofils des Außenrohrs ableiten
kann.
1.4 Die Entscheidung der Prüfungsabteilung führt ebenfalls
an, dass die Bereichsangabe des kennzeichnenden Teils des Anspruch 1
("zwischen etwa 0,1 und etwa 1,0") unpräzise sei.
Dazu stellt die Kammer fest, dass Anspruch 1 zwar offen
lässt, wie bzw. wo (an der Außenseite, an der Innenseite, im Material, ...?)
der Krümmungsradius ro der äußeren Übergangsabschnitte 22 im Sinne des
Anspruchs zu bestimmen ist, bzw. bestimmt werden kann. Dies stellt aber keinen
Mangel gemäß Artikel 84 EPÜ dar, sondern führt lediglich dazu, dass sich der
Anspruchsgegenstand entsprechend breiter auslegen lässt.
Die Breite eines beanspruchten Bereichs rechtfertigt aber
nicht von dem Grundsatz abzuweichen, dass der Fachmann auch bei einer
Schemazeichnung des Standes der Technik unter Berücksichtigung seines
allgemeinen Fachwissens eine technische Lehre direkt und unmittelbar entnehmen
können muss, damit die Neuheit verneint werden kann.
Gleiches gilt für die Lehre, dass der Fachmann spitze Winkel
an biegbaren Teilen vermeiden wolle. Selbst wenn diese Lehre überhaupt aus den
Figuren der Druckschrift D1 ableitbar ist, wird für diese Verbundwellrohr nicht
direkt und unmittelbar offenbart, dass der Wert des Verhältnisses zwischen der
Länge des äußeren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitts und dem
Krümmungsradius der äußeren Übergangsabschnitte zwischen etwa 0,1 und etwa 1,0
beträgt.
1.5 Somit unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1
von dem in der Druckschrift D1 offenbarten Verbundwellrohr dadurch, dass
"der Wert des Verhältnisses zwischen der Länge (l) des äußeren, im
Wesentlichen zylindrischen Abschnitts (16) und dem Krümmungsradius (ro) der
äußeren Übergangsabschnitte (22) zwischen etwa 0,1 und etwa 1,0 beträgt".
1.6 Aus den vorstehenden Gründen ist der Gegenstand des
Anspruchs 1 des Hauptantrags im Hinblick auf die Druckschrift D1 neu (Artikel
54 EPÜ 1973).
2. Zurückverweisung
Da sich die Prüfungsabteilung in der angefochtenen
Entscheidung nur mit der Frage der Neuheit auseinandergesetzt hat, übt die
Kammer ihr Ermessen unter Artikel 111(1) EPÜ dahingehend aus, die Angelegenheit
zur Fortsetzung des Verfahrens an die erste Instanz zurückzuverweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren
Entscheidung zurückverwiesen.
This decision T 2052/14 (pdf) has European Case
Law Identifier: ECLI:EP:BA:2016:T205214.20160624. The file wrapper can
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